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TEIL 4: DAS EHEM. KRIEGSGEFANGENENLAGER NÖRDLICH DES STADTTEILS SULFAT

Tatjana Melnik betonte, dass die Recherche nach ehemaligen Kriegsgefangenen weitaus leichter sei als die nach politschen Opfern der stalinschen Repressalien. Sie selbst habe sich ausgiebig mit dem Lager Jaginlag beschäftigt, dessen Häftlinge zum großen Teil die Stadt Molotowsk (heute Sewerodwinsk; Werft für Atom-U-Boote) und die Werft gebaut hätten. In der Stadt Archangelsk sei ihr ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager nördlích des Stadtteiles Sulfat bekannt. Dort gebe es auch Gedenksteine für ungarische Kriegsgefangene und einen Friedhof. Widrige Umstände verhinderten, dass unsere Gruppe durch Tatjana selbst geführt werden konnte. So machten sich Herr Budnik und die Studentin Evgenia zu zweit auf den Weg, um das ehemalige Lager zu finden. Da sich, wie an vielen Stellen in der Umgebung der Stadt, Sümpfe dahinziehen, ist die Suche nach Überbleibseln von Baracken durchaus schwierig. Der Fakt, dass es Gedenksteine am Ort des ehemalilgen Lagers geben solle, konnte als Indiz dafür gewertet werden, die richtige Stelle gefunden  zu haben. Regen von oben und Wasser von unten erschwerte die Suche. Da auch die Wege durch den Sumpf teilweise überschwemmt waren, musste schließlich wieder umgekehrt werden. Eine Frage an eine ältere Fußgängerin führte aber doch noch zum Ziel. Die Gedenksteine für die ungarischen Kriegsgefangenen hatte man nämlich vom ehemaligen Friedhof im Sumpf, der sehr schwer zu erreichen war, an das Dorf heran verlegt. Diese Stelle fanden wir und wußten, dass wir schon an der rechten Stelle im Sumpf umhergeirrt waren. Man kann sich vorstellen, wie es damals den Gefangenen in einer solch unwirtlichen Gegend zumute war. Ob in diesem Lager auch politische Häftlinge untergebracht waren, konnte nicht geklärt werden. Die genauen Angaben über die ungarischen Kriegsgefangenen beweist, dass in Bezug auf diese Gefangenenkategorie genau "Buch geführt wurde". Die Gefangenen hatten wohl den Bau der in der Nähe befindlichen Sulfat-Nitrat-Fabrik realisieren müssen. Beim Rückmarsch in den Stadtteil Sulfat fiel beim Überschreiten der Gleise die Brücke auf, die nach Talagi führt. Ein Flugzeug, das uns überflog, kam wohl vom Flughafen "Talagi". Die räumliche Enge der ehemaligen Lager in und um Archangelsk und der Namen "Talagi" erinnerten uns immer wieder an unsere nicht ganz einfache Aufgabe.  

Fortsetzung: Der Stadtfriedhof 
[Bk 01-10-09]

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Das Projekt wurde gefördert von der Stiftung
"Deutsch-Russischer Jugendaustausch"
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Buchempfehlung:
Horst Gerlach "In sibirischen Lagern"
Erinnerungen eines deutschen Gefangenen

1945 - 1946

Moskau, Zentproligraf, 2007

Übers. aus dem Engl. ins Russ.

238 S.

Horst Gerlach kam als 17-jähriger in

russ. Kriegsgefangenenlager und beschreibt

den "Arbeitsalltag" und die ebensumstände.. Zwar war er nicht im Gebiet Archangelsk doch läßt seine Erzählung ahnen, wie das Leben in einem solchen Lager organisiert war.