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ABITURIENT NR. 494: FELIX BERNSTEIN 

Ostern 1896 hat der Sohn Julius Bernsteins, Felix, das Stadtgymnasium mit dem Abitur abgeschlossen und die Schule verlassen. Wer war Felix Bernstein? Warum lohnt es sich, seine Biografie nachzuverfolgen?  In Halle gib es an der medizinischen Fakultät ein Julius-Bernstein-Institut für Physiologie. Benannt nach dem Vater Felix Bernsteins.  In Göttingen wurde 2007 das Bernstein Center for Computational Neuroscience (BCCN) gegründet, das sowohl nach dem Vater Julius als auch nach dem Sohn Felix benannt ist. An der Göttinger Universität existiert ein Mathematisches Institut für Stochastik, das als Institut für Statistik von Felix Bernstein gegründet wurde und dessen erster Direktor er war. Den ersten Lehrstuhl für Versicherungsmathematik in Deutschland hatte Felix Bernstein inne. Auf den Seiten des Mathematischen Instituts der Universität Göttingen werden bedeutende Mathematiker genannt, die in irgendeiner Weise mit Göttingen und der Almer Mater verbunden waren. Darunter: Felix Bernstein. Auf den Seiten der Akademie der Wissenschaften Göttingens heisst es: "Bernstein hat 1924 in Göttingen die Blutgruppenvererbung herausgefunden und damit die Grundlage für Vaterschaftstests gelegt". In Arbeiten über verfolgte Mathematiker zur Nazizeit wird Felix Bernstein genannt. 
Gründe genug, um sich mit der Biografie des Abiturienten des Stadtgymnasiums ein wenig zu beschäftigen. Wahrscheinlich war Felix Bernstein hochbegabt auf mathematischem Gebiet, da er schon als Abiturient Teilnehmer des mathematischen Seminars von Georg Cantor war und 1895 bzw. 1896 (also vor oder kurz nach dem Abitur) eine geplante Veröffentlichung von Cantor ("Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre"), der sich im Urlaub befand, las und die Beweise überprüfte. Er hat sich später auf verschiedenen mathematischen Gebieten hervorgetan. Durch den Einfluss von Cantor war es(wohl noch zu Schulzeiten) die Mengenlehre. Hier ist er mit seinem Namen in die Benennung eines Theorems eingegangen (Cantor-Bernstein-Schröder Theorem - 1897 bewies den Satz Felix Bernstein als 19-jähriger). Bei Hilbert und Klein promovierte Felix Bernstein; bei Georg Cantor habilitierte er sich (alles Mathematiker ersten Ranges). Später verlagerte sich das Interesse auf die Versicherungsmathematik und dann auf die Humangenetik. Die mathematische Beschäftigung genetischer Fragen führte auch dazu, dass Felix Bernstein als Biomathematiker bezeichnit wird.  1921  veröffentlichte er einen Artikel "Variations- und Erblichkeitsstatistik".

Aber der Reihe nach."Felix Bernstein, geboren am 14.02.1878 in Halle an der Saale, entstammt einer illustren, wissenschaftlich und politisch engagierten Familie von auffallender Vielseitigkeit und Ideenreichtum. Beide Eigenschaften finden sich auch bei Felix Bernstein in ungewöhnlichem Maße"  (Quelle) Felix entstammte einer jüdischen Familie aus Halle, dessen Vater sich als Wissenschaftler an der Universität einen Namen gemacht hatte. Julius Bernstein (* 18.12.1839 Halle; † 6.2.1917 Halle) war seit 1872 Professor an der Universität Halle. 1881 gründete er dort das Institut für Physiologe und wurde dessen Direktor  (heute Magdeburger Str. 6). Als besondere wissenschaftliche Leistungen von ihm gelten die Julius-Bernstein-Hypothese (1868) und die Membrantheorie (1902). Felix war sein ältester Sohn. Zur Schulzeit in unserem Schulgebäude lies sich bis jetzt nur recherchieren, dass der bemerkenswerte Mathematiklehrer Friedrich Meyer (Grab befindet sich auf dem Stadtgottesacker; Grabstein enthält mathematische Symbole; Friedrich Meyer wurde Ehrendoktor der hallischen Universität und wird auf einer mathematikhistorischen Seite der mathematischen Fakultät aufgelistet) es war, der das Talent Felix Bernstein entdeckte und als erster förderte. Dem Einfluss diesen Mannes ist es wahrscheinlich auch zu verdanken, dass Gottfried Riehm seine Freude an der Mathematik entdeckte und später auch dieses Fach als Lehrer unterrichtete. Nach dem Abitur begab sich Felix Bernstein zu Studien nach Pisa und Rom. Als Studienfächer findet man in der Literatur: Philosophie, Archäologie, Kunstgeschichte und Mathematik. Danach widmete er sich seiner Dissertation "Untersuchungen aus der Mengenlehre" bei David Hilbert und Felix Klein in Göttingen. 1901 erhielt er den Doktortitel. Danach kehrte er nach Halle zurück. 1902 oder 1903 erfolgte die Habilitation bei Georg Cantor in Halle ("Über den KLassenkörper eines algebraischen Zahlkörpers"). Unter dem Einfluss seines Vaters beschäftigte er sich auch mit Physiologie im Physiologischen Institut der hallischen Universität. 1911 wurde er Privatdozent in Göttingen. In der Literatur [3] heisst es, dass er zeitweise ein Freund Albert Einsteins wurde. Erst 1921 erhielt Bernstein eine ordentliche Professur in Göttingen und gründete das Institut für Mathematische Statistik. 1928 befamd er sich erstmalig zu einer Gastprofessur in den USA. Dort widmete sich Felix Bernstein epidemologischen Fragen. Am 7. April 1933 setzte die Hitlerregierung in Deutschland das Gesetz über die Wiederherstellung des Beurfsveamtentums in kraft. Auf Grund dieses Gesetzes wurde auch der jüdische Wissenschaflter Felix Bernstein in Göttingen entlassen. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt wiederum in den USA und entschloss sich, sofort zu emigrieren. 1948 wurde er als 70-jähriger als emiritierter Professor wieder in die Göttinger Universität aufgenommen. Felix Bernstein verstarb 1956 in Zürich.
Das Adressverzeichnis der Abiturienten des Staddtgynasiums von 1937 vermerkt auch die Berufe und die Anschriften der Abgänger der Schule, insoweit sie bekannt waren. Zu Felix Bernstein findet man die Information "Dr. phil, [L], im Ausland."(L = Mitglied des Lesevereins der Schule).

Veröffentlichungen von Felix Bernstein:
+ Deutsche Spar-Prämien-Anleihe 1919 in Frage und Antwort sowie Beispiele volkstümlich dargestellt (Berlin, Reimer, 1919)
+ Die akademischen Berufe / Bd. 5 - Der Statistiker und der Versicherungsbeamte (1920)
+ Variations- und Erblichkeitsstatistik (Berlin, Gebr. Borntraeger, 1929)
+ Is or is not cancer dependent on age? (1939)
+ Freedom (London, 1942)


Offene Fragen: 
- Einige biografische Angaben im Internet widersprechen sich.
- Gibt es Dokumente über Felix Bernstein aus seiner Schulzeit im Stadtarchiv (z.  B. Abiturzeugnis und Prüfungsprotokoll)?
- Finden sich in den Jahresberichten des Stadtgymnasiums Informationen  zu Felix Bernstein (in den Jahresberichten wird auf besondere Leistungen, Auszeichnungen usw. eingegangen)?
- Gottfried Riehm war zur Schulzeit Bernsteins Mathematiklehrer an der Schule. Äußert er sich in Briefen über den begabten Schüler?
- Wo wohnte die Familie Bernstein in Halle?
- Wo befand/befindet sich das Grab von Julius Bernstein?
- Welche weiteren Familienangehörigen gab es und wie ist ihr Schicksal?
- Wer an der medizinischen Fakultät der MLU bzw. des JBI kann Auskunft über Julius Bernstein geben?
- Wie wurde Cantor auf Felix Bernstein aufmerksam (in der Literatur heisst es, dass Julius Bernstein und Cantor befreundet gewesen wären)?-
- Stimmt es, dass Felix Bernstein Richard Dedekind 1887 in Harzburg aufsuchte, kurz nachdem er den Beweis gefunden hatte?

Es gibt also noch genügend offene Fragen, die es sich lohnt im Rahmen ein Profilarbeit in Mathematik/Biologie an der Schule bearbeiten zu lassen.

Informationen, Nachfragen, Korrekturen bitte an ...

Links:[Bk 03-06-10] 

Der Sohn Felix Bernstein

Der Vater Julius Bernstein