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DIE SAALEZEITUNG VOM 24. APRIL 1918

Unter der Überschrift "Die Jubiläumsfeier unseres Stadtgymnasiums - Erzene Gedächtnistafeln - Ein goldenes Buch - Schenkungen" erschien im April 1918 in der Hallischen Saalezeitung ein umfangreicher Artikel zum 50jährigen Jubiläum des Stadtgymnasiums, den Fritz Riehm (Nachfahre Gottfried Riehms) in einer alten Ausgabe gefunden hat und den Frau Irene Staeves an das historische Schularchiv der IGS schickte. Der Artikel berichtet über die Jubiläumsfeier an der Schule (man beachte: der I. Weltkrieg war in seiner Endphase) und ging nochmal auf die Geschichte der Schule und die Vorgängerschulen ein.

Hier einige Zitate aus dem Artikel, die den Geist beschreiben, der in einem Gymnasium des kaiserlichen Deutschland herrschte, das kurz vor seinem Ende stand.

"Rechts und links vom Eingang zur Aula haben wir Ehrentafeln aufgehängt. Sie nennen die Namen der Tapferen unserer früheren Schüler, die ihr Leben für das Vaterland ließen. Ueber 120 Namen stehen dort verzeichnet. Wenn der Friede kommt, dann sollen sie in Erz gegossen werden und die Wand der Aula zieren und die Oberprimaner wollen es sich zur Ehrensache machen, sie alljährlich mit dem Lorbeer zu schmücken. Und die Bilder unserer Helden werden wir in einem goldenen Buch sammeln, den Gefallenen zur Ehre, uns und den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung. ...". Die Thematik "Kriegstote unter Schülern und Lehrern" wird an einer anderen Stelle des Zeitungsartikels noch einmal aufgegriffen. Es heißt dort: "Erhebend war es zu sehen, mit welcher Selbstverändlichkeit  die Schüler des Stadtgymnasiums bei Kriegsausbruch zu den Fahnen drängten. Jeder wollte dabei sein. Weit über hundert Schüler traten direkt von der Schule ins Heer ein. 1870 [Hinweis: Deutsch-Französischer Krieg] betrug ihre Zahl nur 5. 27 sind schon gefallen. Von 1235 Abiturienten des Stadtgymnasiums haben 111 den Heldentod gefunden."

"Nach der Begrüßungsrede sang der Chor mit Orchesterbegleitung den Weihespruch, eine ansprechende Dichtung des Herrn Prof. Dr. Theo Sommerlad, die Herr Konservatoriumsdirektor Bruno Heydrich wirkungsvoll vertont hat." [zur Erläuterung: Bruno Heydrich leitete eine private Muskischule nicht weit vom Stadtgymnasium entfernt; er war der Vater des "Henkers von Halle", Reinhard Heydrich, der selbst Schüler des Reformrealgymnasiums war]

"Die Festrede hielt Herr Oberlehrer Studienrat Dr. Riehm." Dieser ging in seiner Rede auf die Schulgeschichte ein. Vom Franziskaner-Barfüßerkloster (heutiger Universitätsplatz) über das dort gegründete Lutherische Gymnasium, die Zeit der französischen Besetzung (aus der Schule wurde ein Korn- und Brotspeicher; die Schulkirche wurde zum Theater), die Gründung der Vorschule (1861 gegenüber dem Reichshof), dem Progymnasium (1864 auf dem Kleinen Sandberg - dieses Gebäude wurde vorher als Irrenhaus und Zuchthaus genutzt) bis 1867 (da befand sich die Schule - Vorschule und Progymnasium gemeinsam - in einem Haus Ecke Wilhelmstr./Sophienstr.). Bankier Lehmann schnenkte 5 Morgen Wiese "An der Lucke" der Stadt als Schulplatz. Gedacht war das Gebäude in der heutigen Adam-Kuckhoff-Str. für 37 Klassen mit Aula, Zeichensaal und Direktorenwohnung. Erster Direktor wurde ein Lehrer der Franckeschen Stiftungen, Otto Nasemann. Dieser hatte seine Lehreranstellung 1850 aufgegeben, um "für die Befreiung der Herzogtümer Schleswig-Holstein zu kämpfen". Seine Offizierslaufbahn endete durch eine Beinamputation und Nasemann verdingte sich als Hauslehrer, bis er schließlich wieder nach Halle gerufen wurde. Im Zeitungsartikel heißt es: "Wie ein Vater sorgte er für seine Schule ... Die Oberprimaner durften mittwochs mit seiner stillschweigenden Duldung einen Bier- und Tabakabend haben; wenigstens fragte er an diesem Abend nie, wann seine Pensionäre nach Hause kamen. Als die Sache später ausartete, wurde sie unterdrückt. Kamen Anzeigen, dann schickte er seinen Hausmann, den alten Kupfer, der aber faßte nie einen. Vor diesem alten Schulhausmann musste man alle Hochachtung haben. Man denke: er heizte in den Winternächten mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern 40 Oefen, denn Zentralheizung gab's damals noch nicht."

Andere Hallesche Schulen brachten zum Schuljubiläum Glückwünsche dem Stadtgymnasium."Der Prorektor der Franckeschen Stiftungen, Direktor der Latina, Herr Professor Dr. Graeber, pries in seinen Glückwunschworten die freundschaftlichen Beziehungen, die zwischen beiden Schulen bei allem Wetteifern bestanden haben.... Auch mit den übrigen Anstalten in Halle gibt es keinen Rangstreit. ... Namens der Oberrealschule, des Reformrealgymnasiums und des Städtischen Lyceums überbrachte Herr Direktor Schotten herzliche Glückwünsche." [Hinweis: Dr. Schotten war selbst als Lehrer und später Direktor der Oberrealschule im Gebäude des Stadtgymnasiums tätig gewesen, als sich die Oberrealschule in ihren Anfangsjahren noch dort befand] "Die Oberrealschule und das Reformrealgymnasium haben nachbarlich in denselben Räumen mit dem Stadtgymnasium gehaust. In der Leitung hat sie Personalunion mit dem Stadtgymnasium verbunden, und das Städtische Lyceum hat jetzt noch mit einigen Klassen im Stadtgymnasium Aufnahme gefunden. Der langhährige verdiente Direktor des Lyceums [Hinweis: Höhere Töchterschule], Herr Geheimrat Biedermann, war zuvor Lehrer am Stadtgymnasium."

Der Artikel endet mit einem Hinweis auf Schenkungen durch Eltern und der Stadt an die Schule. "So sind der Bibliothek wertvolle wissenschaftliche Werke von freundlichen Gönnern der Anstalt überwiesen worden, ferner ein Bildwerk zur Ausschmückung der Schule und  zwei Geldspenden ..."

So weit zum Jubiläumsartikel in der damaligen Saalezeitung. Ein Dankeschön an die Riehm-Nachfahren für die Übersendung des Zeitungsartikels.

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