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ERLEBNISBERICHT ÜBER DAS TREFFEN MIT HR. HARRY LICHTENSTEIN

 Es war eine ganz spontane Aktion von Fr. Martinau, die für uns zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde.

Ein Treffen, das uns nachdenklich gemacht hat.

Ein Treffen, mit so viel Geschichte dahinter.

In Paris kam Fr. Martinau auf Stefanie und mich zu und fragte uns, ob wir nicht Lust hätten, mit ihr zusammen einen gewissen Hr. Harry Lichtenstein zu besuchen und ihn zu interviewen. Schnell stimmten wir der Sache zu.

Harry Lichtenstein, ein 90- jähriger Pariser, ist früher selbst zu uns an die IGS gegangen, lebt aber schon mehrere Jahrzehnte in der wunderschönen Stadt Paris. Und in diesem Mann steckt so viel Geschichte drin, die wir unbedingt hören wollten. Eine lange Metrofahrt brachte uns an das Ziel. Auch heute noch hat der ehemalige Anwalt eine Kanzlei mitten in Paris und dort wollten wir uns treffen. Etwas später als geplant, fand das Treffen dann statt. Ein kleiner, sehr liebenswürdiger Mann empfing uns in seinem Büro und zunächst genossen wir einen fantastischen Blick von seinem Balkon über Paris und die Sehenswürdigkeiten.

Voller Stolz zeigte er uns Bilder an seiner Wand von seiner verstorbenen Frau, seinem Sohn und seinen zwei Enkelkindern.

Dann setzten wir uns hin und der Mann erzählte über ein Thema, worüber die Leute aus der damaligen Zeit eigentlich nicht gerne sprechen. Hr. Lichtenstein erzählte uns über die Zeit des 2. Weltkrieges und wie er sie erlebte, jedoch sehr offen.

Als Jude hatte man es sicherlich sehr schwer gehabt, ganz besonders auch als Kind. Man wurde oft ausgelassen und hatte nur wenige Freunde gehabt. „Ich hatte Freunde gehabt. Wenige, aber wahre Freunde.“, sagte Harry Lichtenstein, mit einem Blick zum Boden gerichtet und schluckte. Dann ging es weiter:

Sein Vater wurde nach Paris geschickt und für Hr. Lichtenstein stand fest, dass er seinem Vater folgen würde. Am 01.05.1938, im Alter von sechzehn Jahren, floh er von Halle nach Paris. Auch wenn er Jude war, gelang ihm die Flucht. Die Reise ging von Halle nach Saarbrücken und dann weiter nach Paris. Auch in Paris gestaltete sich sein Leben schwierig. Er kam ins Gefängnis und im Jahre 1942 besetzte Deutschland fast ganz Frankreich. Die Fragen, die wir ihm stellten, sind sehr tiefsinnige Fragen gewesen und wir hatten gedacht, dass er uns einige Fragen nicht beantworten möchte oder kann, da er an die grausame Vergangenheit nicht mehr erinnert werden möchte. Ganz im Gegenteil. Er fragte uns immer wieder, ob wir noch Fragen hätten, oder ob wir noch etwas wissen möchten. Das beeindruckte uns!

Einen ganz wichtigen Punkt hatten wir noch auf dem Herzen gehabt: Wie lernte er seine Frau kennen und was war mit ihr im Krieg gewesen? Mit glänzenden Augen und ganz viel Gefühl erzählte er uns, dass er 60 glückliche Jahre mit einer Französin verheiratet war und sie im Zug kennengelernt hatte. Das Leben der Frau war leider nicht einfach gewesen. Sie verbrachte einige Zeit in dem Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und kam lebend wieder heraus. Uns allen lief eine Gänsehaut den Rücken hinunter und mit Staunen und Mitgefühl folgten wir dem Gespräch mit dem Mann, der so stark war. Zur Aufmunterung und damit wir alle wieder auf andere Gedanken kamen, lud uns Hr. Lichtenstein zu einer Pizza in eine kleine Pizzeria ein.

Es ist wirklich beachtlich, so offen über diese Zeit sprechen zu können. Für uns waren das Informationen von einem Mann, der alles miterlebt hatte.

In ein paar Jahren wird es keinen mehr geben, der darüber erzählen kann.

Harry Lichtenstein besitzt seit den 1940er Jahren die französische Staatsbürgerschaft.

 Annalena Osterlandt Stefanie Rathmann KL. 9a

 
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