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VERORDNUNGSBLATT DER PROVINZ SACHSEN VOM OKT. 1945

Durch Schenkung über Frau Heick ist das obengenannte Verordnungsblatt in Form von zwei Ausgaben aus der direkten Nachkriegszeit an das Historische Schularchiv der IGS übergeben worden. Hier einige Auszüge daraus:

Heft Nr. 2 vom 20. Oktober 1945 S. 37
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"Umbau des Schulwesens"
Betr.: Verordnung zur Säuberung der Schulen/Schulbeginn

… Die Schule muß dem Einfluß des Faschismus und Militarismus entzogen werden und die großen Söhne des deutschen Volkes: Goethe und Schiller, Lessing und Heine, Liebknecht und Thälmann wieder ins Leben rufen. ...
I. 
1. Der Schulbeginn ist auf den 1. Oktober 1945 festgelegt.
2. Bis zum 10. August sind sämtliche Gebäude, die bisher schulfremden Zwecken dienten, zu räumen. … 
3. Bis  zum 10. August müssen sämtliche schulpflichtigen Kinder erfaßt und der vorgesetzten Behörde gemeldet sein.
4. Der Lehrkörper muß aus solchen Lehrern bestehen, die nicht nazistisch und militaristisch eingestellt und bereit sind, die Schule im demokratischen Sinne umzubauen. ...
5. Diejenigen Lehrer und Beamten der Schulbehörden, die sich gegen die Interessen des Volkes vergangen haben und nicht im Amt bleiben dürfen, sind sofort zu entlassen und den Arbeitsämtern zu melden. Gehälter und Entschädigungen werden an die Entlassenen nicht gezahlt.
6. Alle Lehrer, die von der Naziregierung infolge einer antifaschistischen Betätigung aus dem Amt gebracht wurden, sind sofort in den Schuldienst  zu übernehmen und bei fachlicher Eignung in leitende Stellungen zu bringen.
...
8. Lehrpläne und Schulbücher aus der Nazizeit sind zu vernichten. Ausnahmen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Präsidenten der Provinzialverwaltung, Dezernat für Volksbildung. Als Ersatz der eingezogenen Unterrichtsbücher dürfen vorläufig solche aus der Zeit vor 1933 verwendet werden, sofern Artikel militärischer Tendenz beseitigt sind.
9. Sämtliche Schulbüchereien (Lehrer- und Schulbüchereien) sind sofort von nazistischer und militärischer Literatur zu säubern. Die Unterhaltungsliteratur, besonders aus der Zeit von 1933-1945, die fast ausnahmslos nazistisch verseucht ist, ist eingehend zu prüfen und bei Beanstandung einzuziehen. Die Kinder haben alle Bücher vorstehender Art auch aus Privathand mitzubringen und zu vernichten.
10. Die gesamten Bücher sind unbrauchbar zu machen (zerreißen) und der Altpapierverwertung zuzuführen. Es ist dabei ausdrücklich zu verbieten, daß Papier vernichteter Bücher als Makulatur an Geschäfte weitergegeben wird.
11. Alle Bilder von Heerführern und Führern des Naziregimes sind sofort zu zerstören. 
...
II
1. Die Bezirkspräsidenten, die Landräte und Oberbürgermeister haben für ihr Ämter sofort ein Amt für Volksbildung einzurichten. Die Beamten desselben dürfen nicht Mitglied der NSDAP oder deren Organisationen oder einer militärischen Vereinigung gewesen sein. ...

Betr.: Ausführungsbestimmungen zur Verordnung über die Säuberung von Schulen ...

4. Sämtliche Lehrer und Beamte der Schulämter usw. haben den Fragebogen Sch. 2 auszufüllen und an die Bezirksverwaltung  zurückzugeben. Die Bezirksverwaltungen haben die Bereinigung beschleunigt durchzuführen.  Zu entlassen sind alle Nazis und Militaristen. Dazu gehören: alle Funktionäre der Naziorganisationen , alle in der Öffentlichkeit rednerisch, schriftstellerisch und schulisch aufgetretenen Personen. Alle Helfer der Gestapo und des Sicherheitsdienstes, alle NSDAP-, SS-, SA-, NSKK-Mitglieder, die bis zum 1. April 1933 diesen Organisationen beitraten. ...
Rektoren und Schulräte sowie andere leitende Beamte dürfen niemals Mitglied der NSDAP und ihrer Organisationen gewesen sein. ...
5. Alle Entlassungen sind sofort zu tätigen. Ach die Faschisten, die sich durch Pensionierung aus der Schlinge ziehen wollten, sind noch nachträglich zu entlassen; das Recht auf Pension ist ihnen abzuerkennen. ...
7. Neue Lehrpläne und Richtlinien sollen bis zum Schulbeginn an die Schulleiter übermittelt werden. Als Lesematerialien für die oberen Klassen können auch Bücher der deutschen Literatur (Klassiker) verwendet werden. 
8. Für die Reinigung der Büchereien sind die Schulleiter verantwortlich. Sofern die Durchsicht der Büchereien noch nicht abgeschlossen ist, kann eine Ausgabe von Büchern nicht erfolgen.
9. Die Vernichtung der beanstandeten Bücher hat unter Aufsicht der Lehrer zu geschehen. 
10. Wenngleich schon in der ersten Zeit das Zusammenbruchs der Naziherrschaft die Bilder der Hitleristen verschwanden, so sind doch die Bilder anderer, wie Hindenburg usw., in den Schulen hängengeblieben. Das muß sofort bereinigt werden. ...

Halle (Saale), den 3. August 1945
Der Präsident der Provinz Sachsen Dr. Hübner, Vizepräsident Lohmann

Betr. Lehrkräfte für Volks- und Mittelschulen

Zum Zwecke der Auffüllung des Lehrkörpers wird hiermit verfügt:
1. Die aus den Ostgebieten zugewanderten Lehrkräfte können von den Kreis- und Stadtschulräten eingestellt werden, wenn sie den von der Provinzialverwaltung herausgegebenen Fragebogen für Lehrkräfte ordnungsgemäß ausfüllen und dadurch feststeht, daß sie den Anforderungen der Verordnung vom 3. August 1945 genügen. ...
2. Alle Lehrer, die nicht entlassen wurden, haben eine Verpflichtung nach beigefügtem Muster zu unterschreiben. ...

Halle (Saale), den 23. August 1945
Der Präsident der Provinz Sachsen

Betr.: Anordnung über den Schulbeginn und die Besetzung der Schulleiterstellen

Um die bestehenden Unklarheiten zu beseitigen und die notwendigen Vorbereitungen für den geordneten Schulbetrieb abschließen zu können, wird hiermit verfügt:
1. Das Schuljahr beginnt am 1. April eines jeden Kalenderjahres.
...
3. 'Am 1. Oktober 1945 werden alle Schüler in die nächst höhere Klasse versetzt.
...
6. Die Hauptschulen sind bei Wiederaufnahme des Unterrichts aufzulösen. Die Eltern entscheiden darüber, ob sie ihre Kinder zur Volksschule oder zur Mittelschule umschulen wollen. Schulgelderlaß oder -Ermäßigung  ist bedürftigen, fleißigen und tüchtigen Kindern, die  zur Mittelschule übertreten wollen, eim weiteren Maße zu gewähren.
7. Die zum Übergang aus der Grundschule zur Mittelschule oder Oberschule sich meldenden Kinder müssen sich einer Aufnahmeprüfung unterziehen, die so zu gestalten ist, daß sie den kriegsbedingten  Schulverhältnissen Rechnung trägt. ...

Halle (Saale), den 11. September 1945
Der Präsident der Provinz Sachsen

Betr.: Ausführungsbestimmungen zur Verordnung über Berufung von Lehrern ohne pädagogische Vorbildung (Volkslehrer)
3. Es ist  s o f o r t  in allen mehr als dreiklassigen Schulen mindestens ein Volkslehrer einzustellen.
Halle (Saale), den 16. Oktober 1945
Der Präsident der Provinz Sachsen Hübner
Der 1. Vizepräsident Siewert
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Die Originalerlasse können im Historischen Archiv eingesehen werden.

Bk [29-01-2020] 
schulgeschichte(at)igs-halle.de
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