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DIE ADAM-KUCKHOFF-STRASSE

Bis zur DDR-Zeit war die Anschrift für unser Schulhaus "Sophienstraße". Später wurde sie in Adam-Kuckhoff-Straße umbenannt und die Nachbarstraße hieß "Dr. Richard-Sorge-Straße". 1943 hießen die anderen drei das Grundstück begrenzenden Straßen: Luisenstraße, Hedwigstraße und Margaretenstraße (die gleichen Straßennamen findet man auch im Stadtplan von 1895).  
Wer waren die Kuckhoffs, die Namensgeber der Straße in Nachkriegszeiten wurden (wann genau die Umbenennung stattfand und ob durch die DDR-Administration oder sowjetische Gremien ist uns leider noch nicht bekannt*) und bis heute Teil unserer Schulanschrift sind? Viele Internetseiten geben da Auskunft: beide waren Mitglieder einer Widerstandsgruppe, die bis 1942 existierte und von den Nazis den Namen "Rote Kapelle" bekam. Beide erhielten für ihre aktive Arbeit im Widerstand gegen das Naziregime die 1942/43 Todesstrafe. Dieser zum Teil lockere Zusammenschluss von Nazigegnern umfasste mehr als 100 Personen (erhalten geblieben ist das sogen. Gestapo-Fotoalbum mit über 100 Polizeifotos der Verhafteten, die zur Roten Kapelle gezählt wurden). Es wird von einem Netzwerk von Gruppen berichtet, das sogar 400 Mitglieder umfasst haben soll. Arvid und Mildred Harnack gehörten zu den Begründern und führenden Köpfen der Gruppe, die Greta Kuckhoff bei ihrem USA-Aufenthalt in den 20er Jahren kennengelernt hatte. Ihr späterer Mann, Adam Kuckhoff, gehörte dann in Berlin in den 30er Jahren ebenfalls zum "inneren Kreis" der Gruppe. Dieses verzweigte Netzwerk diente der Sammlung von Nazigegnern, als Diskussions- und Austauschplattform, aber auch später der Spionage für die Sowjetunion. Letzter Punkt wurde von der NS-Propaganda aber auch von Historikern der alten BRD einseitig übertrieben dargestellt und gilt heute als überholt.
Adam Kuckhoff wurde nicht mit der ersten Gruppe von Aktivisten am 22.12.1942 sondern am 5. August1943 in Plötzensee hingerichtet. Seine Frau Greta erhielt ebenfalls die Todesstrafe, die nach einem Gnadengesuch in eine 10jährige Zuchthausstrafe umgewandelt wurde. Sie überlebte die NS-Zeit und starb am 11. November 1981 in Wandlitz. Sohn Ule, der am 8. Januar 1938 geboren wurde, starb am 16. August 1989 ebenfalls in Wandlitz.
Welche Beziehungen gibt es nun zu Halle bzw. zu unserer Schule?
- Adam Kuckhoff studierte u. a. in Halle und promovierte an der hiesigen Universität 1912
- eine der Polytechnischen Oberschulen, die sich zu DDR-Zeiten in unserem Haus befand, wurde nach ihm benannt (POS wurde 1987 aufgelöst)
- eine Pionierleiterin und der Schulleiter der POS "Adam Kuckhoff" besuchten Greta Kuckhoff in Wandlitz (ein Foto davon ist im Besitz des historischen Schularchivs)  
- Greta Kuckhoff schreibt in ihrer Autobiographie auf S. 349, dass sie im Polizeigefängnis am Alexanderplatz Martel Husemann begegnete, die im Film "Kuhle Wampe" mitgespielt hatte (einer der Drehbuchautoren war neben Bertolt Brecht Ernst Ottwalt, der Abiturient am Stadtgymnasium war)
Wahrscheinlich ging die Initiative zur Umbenennung der Luisen- und Sophienstraße in Dr. Richard-Sorge- und Adam-Kuckhoff-Straße von sowjetischen Organen aus, die dadurch Deutsche würdigen wollte, die für die SU im II. WK Informationen aus/über Deutschland lieferten und die noch in der NS-Zeit zum Tode verurteilt worden waren. Die sowjetische Kommandantur befand sich nämlich bis zum endgültigen Abzug der sowjetischen Soldaten aus Halle in der Luisen- (Dr. Richard-Sorge-) Straße (Gebäude beherbergen heute eine Kita bzw. Wohnungen; sowjetische Garnison Heide existierte bis 1991).
Adam Kuckhoff widmete seinem fünfjährigen Sohn Ule, den er im Gefängnis in Plötzensee nochmal sehen durfte, am 5. August 1943 unmittelbar vor dem Gang zur Richtstätte ein kleines Gedicht:
FÜR ULEMEIN LIEBER SOHN, DU GROSSES SPÄTES GLÜCK,SO LASSE ICH DICH VATERLOS ZURÜCK?EIN GANZES VOLK - NEIN, DAS IST VIEL ZU KLEIN,
DAS MENSCHENVOLK WIRD DIR DEIN VATER SEIN!

Quellen:
- "Vom Rosenkranz zur Roten Kapelle - ein Lebensbericht", Greta Kuckhoff, Verlag Neues Leben Berlin 1974 (Buch ist im histor. Schularchiv vorhanden)
- "Adam Kuckhoff zum Gedenken", Aufbau-Verlag 1946, Greta Kuckhoff (Buch ist im histor. Schularchiv vorhanden, das zitierte Gedicht befindet sich dort auf S. 106)
- Wikipedia-Artikel zu Adam Kuckhoff
- "Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle", 1992 Griebel/Coburger (Foto 5)
- "Stadtpläne Halle a.d.S. 1948 - 1955 - 1957", Verlag Rockstuhl 2016 
- Quelle Foto 4: Greta Kuckhoff mit Autograph (eBay)
- Quelle Foto 1: www.friedenau-aktuell.de (im Berliner Stadtteil Friedenau gibt es einen Adam-Kuckhoff-Platz; in Bln.-Friedenau Wilhelmshöher Str. 18 lebten von 1939 bis 1942 die Kuckhoffs, aber auch ein weiteres Mitglied der Roten Kapelle, Erika von Brockdorff, deren Wohnung ab 1941 als "Funkstation" diente [Quelle])
- "Die Toten" pdf-Datei mit Angaben des Todesdatums und der Todesart von Mitgliedern der Roten Kapelle
- "Die Prozesse" pdf-Datei mit Angabe der Strafen des Reichskriegsgerichts für Mitglieder der Roten Kapelle 
- "Die Verhaftungen" pdf-Datei mit Angabe des Verhaftungsdatums und der Fotonummer im Gestapo-Album
 * Auf dem halleschen Stadtplan von 1957 werden die Straßen noch mit ihrer alten Bezeichnung "Sophienstraße" und "Luisenstraße" bezeichnet. Ergänzung v. 06.11.19: auf der Website der "Anwohnerinitiative AKS", die Initiator der Anbringung der Zusatzschilder unter den Straßennamensschildern ist, ist zu entnehmen, dass die Umbenennung der Sophien- in Adam-Kuckhoff-Str. 1963 erfolgte und Adam Kuckhoff in seiner hallenser Zeit in dem Haus wohnte, in dem sich heute die Bäckerei Neubauer befindet. Zwei Söhne der Familie waren übrigens zu DDR-Zeiten Schüler in unserem Schulhaus.
Auf dem Stadtplan von 1955 befindet sich die "Sowjetische Militäradministration" noch am "Marx-Engels-Platz", dem heutigen Steintor (roter Klinkerbau) und unser Schulhaus ist als "Christian Thomasius Schule" gekennzeichnet.

Bk [23-12-18] 
schulgeschichte(at)igs-halle.de
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