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DIE ADRESSVERZEICHNISSE DES STADTGYMNASIUMS

An vielen Stellen der historischen Artikel zur Geschichte des Schulstandortes bis 1937 ist von Adressverzeichnissen des Stadtgymnasiums (existierte von 1868 bis 1937) die Rede. Hier soll nun etwas genauer darauf eingegangen werden.

Der eigentliche Initiator des Ganzen ist wohl der Lehrer Gottfried Riehm (war bis 1923 Lehrer an der Schule) gewesen (s. Vorwort zum  Heft von 1931). Insgesamt sind uns drei Ausgaben bekannt: von 1910,1931 und 1937. Die AG Spurensuche ist im Besitz der Originalhefte dieser Jahrgänge.

Der Umfang liegt zwischen 40 und 90 Seiten, wobei jedes Heft auch ein Register (alphabetisches Verzeichnis) besitzt. Bis auf das erste Heft sind auch Adressen ehemaliger Lehrer angegeben. Alle drei Hefte wurden professionell gedruckt und konnten käuflich erworben werden. Ziel war es, Abiturienten und Abgänger des Abiturjahrganges zu erfassen, ihre letzte bekannte Adresse (auch außerhalb Halles) anzugeben, sowie ihren beruflichen Werdegang – so weit bekannt. Dabei wurden alle Abiturienten vom ersten Abiturjahrgang (Michaelis 1872) bis zum letzten des Stadtgymnasiums (Ostern 1937) durchnummeriert, wobei Abgänger ohne Abitur nur mit einer Buchstabenaufzählung angegeben sind. Abgänger mit dem Abschluss des Einjährig-Freiwilligen-Examens sind (leider) nicht aufgeführt. Eine Kopie von handschriftlichen Aufzeichnungen Gottfried Riehms zur Erstellung des ersten Adressverzeichnisses liegt vor. 

 Im von Riehm selbst 1910 erstellten Heft schreibt der Autor: „Liebe Mitschüler! Zum ersten Male geht diesmal das Adressverzeichnis nur den Abonennten zu. ... Äußerlich erscheint das Heftchen aus Sparsamkeitsrücksichten in bescheidenerer Gestalt als das vorige, welches die Freigebigkeit der am 40jährigen Stiftungsfeste beteiligten Herren geschenkt hat, aber seine Zuverlässigkeit ist diesmal besonders groß, weil an alle Herren vorher eine Karte gesandt worden ist mit der Bitte, um eventuelle Richtigstellung ihrer Adresse. Der Fonds fest angelegten Kapitals, von dessen Zinsen der Druck der Verzeichnisse zu bestreiten ist, beträgt jetzt 1600M. Da aber der Umfang derVerzeichnisse dauernd wächst, so wird bei den vorhandenen Mitteln erst 1913 an die nächste Ausgabe herangetreten werden können. ... Das Abonnement wird durch einmalige Zahlung von 5 Mark auf Lebenszeit erworben.“

Von „Herren“ ist die Rede, da das Gymnasium ein reineJungenschule war. Es heißt im Vorwort weiter: „Die Sammlung zum 50jährigen Stiftungsfeste, deren Zinsen unterstützungsbedürftigen, würdigen Schülern zufallen sollen und welche Herr Direktor Geheimrat Dr. Friedersdorff verwaltet, ist auf 200 Mark gestiegen. Wer hilft sie, weiter zu vergrößern?“

Der letzte Abschnitt gibt Auskunft darüber, welche Ehemaligentreffen (um mal in unserer Terminologie zu sprechen) zum damaligen Zeitpunkt stattfanden: „Die Zusammenkünfte ehemaliger Schüler des Stadtgymnasiums in Halle finden nach wie vor am Ersten jeden Monats, ohne Rücksicht auf den Wochentag statt, und zwar im Hotel Kaiser Wilhelm (Bernburgerstr. 12/13), abends 81/2 Uhr.“

An der genannten Adresse findet man heute das Caritas-Maltheser-Haus (s. Foto), wenn man voraussetzt, dass sich die Nummerierung in der Bernburger Str. nicht geändert hat.

Unterzeichnet ist das Vorwort mit „Dr. G. Riehm, Professor am Stadtgymnasium, Reichardtstr. 19, Halle, Juli 1910.“

Riehm ist 1928 gestorben. Das Heft aus dem Jahre 1931 kann also nicht von ihm erstellt worden sein. Paul Rothe unterzeichnete das Vorwort (vom April 1931) und schreibt: „Nun muß das kleine Büchlein zum ersten Male hinausgehen, ohne von der Hand dessen bearbeitet zu sein, dem es sein Entstehen verdankt und der unermüdlich und mit liebevoller Hingabe für seine Erhaltung sorgte. Unser lieber Professor Dr. Gottfried Riehm weilt nicht mehr unter denLebenden. ... Was Gottfried Riehm unserem Stadtgymnasium und so vielen Generationen von Schülern gewesen ist, davon soll hier im einzelnen nicht gesprochen werden. ... Die Stadt Halle hat sein Gedächtnis durch eine Gottfried-Riehm-Stiftung geehrt. ... Wie war er insbesondere mit nie nachlassendem Eifer um die Fortführung und stetige Vervollständigung des Albums und des aus diesem entstandenen und ausschließlich von ihm bearbeiteten und immer wieder neu herausgegebenen Adressverzeichnisses bemüht, seines ‚Lieblingswerkes’, wie er es gern nannte! Keine Mühe scheute er da, und es gab deren wirklich genug dabei. Wie strahlte sein Gesicht, wenn er mitteilen konnte, daß er wieder jemand der – oft schon längere Zeit – gesucht war, ausfindig gemacht hätte! ... Ich habe die Neubearbeitung des Verzeichnisses übernommen und entspreche damit auch einem persönlichen Wunsche des Verstorbenen, der es für wünschenswert hielt, daß nach ihm ein alter Schüler sein Werk fortsetze, der zugleich Lehrer unseres Gymnasiums sei.“ Paul Rothe ist als Abiturient Nr. 357 von Michaelis 1889 im Adressverzeichnis selbst aufgeführt (weitere Angaben: Prof. Dr. phil., Studienrat am Stadtgymnasium, Halle, Kronprinzenstr. 44 II). Rothe schreibt weiter: „... sodann waren in ausgedehntestem Maße Nachforschungen über Nachforschungen nötig nach Mitschüler, deren Namen schon 1926 mit dem ominösen ‚wo’ versehen war oder die das letzte Anschreiben (1930) nicht erreichte.“ Im gleichen Vorwort wird mitgeteilt, dass jeweils zu Ostern ein Abiturient mit einer Buchprämie ausgezeichnet werden soll. Ob mit den im Zitat oben erwähnten Alben Fotoalben gemeint sind (wie zwei im aus den 1880er bzw. 1890er Jahre stammende Fotoalben im Stadtarchiv belegen würden) ist nicht klar. 

Im Heft von 1937 schreibt ein Carl Achtzehn (Abiturient Nr.823 von Ostern 1907; Studienrat i. R. aus Halle, Kaiserstr. 4 I): „Obgleich im ‚Ekkehard’ eine Suchliste veröffentlicht wurde und der Verfasser in fast 100 persönlichen Schreiben nach ‚unbekannt Verzogenen’ forschte, sind doch leider manche Lücken, die auch die Conabiturienten ... nicht auszufüllen vermochten. ... Auf die nächste Zusammenkunft im Hotel ‚Stadt Hamburg’ am Sonnabend nach Ostern (23. April 1838) sei schon jetzt hingewiesen [Foto 3]; Herr Dr. med. Reinhold Grimm (O. 1900), der jahrzehntelang als Arzt in Peking (Peiping) gewirkt hat,hat sich bereit erklärt, einen Lichtbildervortrag über China zu übernehmen.“ Das Hotel befand sich in der Gr. Steinstr., nähe Juliot-Curie-Platz, der Uni-Zahnklinik gegenüber – heute mit einer Gedenktafel für Ringelnatz versehen - und ist Teil der MLU (WiWi-Fakultät). Ob bzw. unter welchen Stern die Zusammenkunft der ehemaligen Abiturienten des Stadtgymnasiums am 23.04.1938 im Hotel Stadt Hamburg stattfand ist nicht klar. Zu beachten ist, dass das humanistische Gymnasium kurzfristig im Herbst 1937 aufgelöst wurde und am gleichen Standort die Christian-Thomasius-Oberschule für Jungen etabliert wurde.  

Weiter schreibt im Heft von 1937 ein Dr. Stoffel (Abiturient Nr. 1107, Hermann Stoffel, Dr. rer. pol., Geschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Bauindustrie Bezirk Mitteldeutschland, Halle, Burgstr. 40): „Gelegentlich der Osterzusammenkunft 1937 habe ich gemeinsam mit den Herren Stadtrat Dr. Dryander [Erg. Bk: war Abiturient Nr. 623, Schwuchtstr. 7, Dr. jur.]und prakt. Arzt Dr.Riehm [Erg. Bk: wahrscheinlich der Sohn Gottfried Riehms, Karl Riehm] die Leitung unseres Zusammenschlusses übernommen.“  

Hinweis: Die Fotos 4 bis 8 sind Abbildungen des Namensverzeichnisses des letzten Adressverzeichnisses von 1937, in dem man die Namen und Abiturientennummern
a l l e r Abiturienten des Stadtgymnasiums von 1872 bis zur Auflösung der Schule 1937 findet.  
Der Abiturient mit der Nr. 1 ist Konrad Benno ; der mit der letzten Nummer ist Franz Zorn (Nr. 1712). Das Statgymnasium hatte damit g e n a u  1712 Schüler, die die Schule mit dem Reifezeugnis verließen.


[Bk 07-04-11]