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DER FALL HORST SCHUMANN

Über Horst Schumann, dem Abiturienten des Stadtgymnasiums des Jahres 1925, ist an dieser Stelle schon einmal (im Zusmamenhang mit dem Hilsenrath-Geburtstag 2.4.2011)  berichtet worden.

Hier noch einmal explizit zur Biografie dieser Person.
> Geboren 1906 in Halle als Sohn eines praktischen Arztes
> Schulzeit im Stadtgymnasium mit Abitur 1925
> Studium der Medizin in Halle
> Approbation 1931, danach Assistenzarzt am St. Elisabeths-Krankenhaus und an der Chirurgischen Universitätsklinke und beim Gesundheitsamt Halle tätig
> 1930 Eintritt in die NSDAP (Nr. 190 002) und 1932 SA
> Mitglied des Studentenkorps Budissa in Halle; 1931 Staatsexamen
> 1933 Promotion zum Dr. med. in Halle
> ab 1934 beamteter Stadtarzt in Halle
> Mai 1936 stellv. Leiter des halleschen Gesundheitsamtes; Mitglied des "Erbgesundheitsgerichts" Halle
> 1939 Einberufung zur Wehrmacht als Unterarzt (Luftwaffe)
- Okt. 1939 Einweihung in die Euthanasie-Planungen der NS-Führung und Einwilligung zur Teilnahme daran (zuvor wurde SS-Arzt Dr. Werner Kirchert*, Abgänger des Stadtgymnasiums von 1927, in die Pläne eingeweiht, der eine Teilnahme wegen "Undurchführbarkeit" ablehnte und seinen ehemaligen Schulkameraden aus Halle, Horst Schumann, vorschlug)
> Leitender Arzt und Direktor der Landespflegeanstalt Grafeneck
> ab 1940 in Sonnenstein/Pirna
> ab April 1941 Mitglied der "Ärztekommission" 14f13, die Selektionen in den KZs Auschwitz, Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Groß-Rosen, Mauthausen, Neuengamme and Niederhangen durchzufürhen hatten
> ab Herbst 1942 einer der berüchtigten Lagerärzte in Auschwitz; Teilnahme an Selektionen an der Rampe Auschwitz/Birkenau
> 1942 - 1944 Leiter der Röntgenkastration im KZ Auschwitz
> Jan. 1945 Versetzung als Truppenarzt zur Wehrmacht
> 1945 für einige Wochen in amerikanischer Kriegsgefangenschaft 
> Im Nürnberger Ärzteprozess sagt ein ehemaliger jüdischer Häftling aus Auschwitz aus; er bezeichnet Schumann als Leiter der Sterilisierungs- und Kastrierungsexperimente in Auschwitz
> Sommer 1949 Tübingen: in einem Euthanasie-Prozess heißt es, Schumann sei "vermißt"
> Arbeit als städtischer Sportarzt in Gladbeck; ab 1949 eigene Praxis in Gladbeck
> 1951: im Zusammenhang mit einem angeforderten Führungszeugnis aus der Geburtsstadt Halle wird auf ein Haftbefehl gegen Schumann aufmerksam gemacht; Flucht aus Westdeutschland, um der drohenden Verhaftung zu entgehen
> Schiffsartz; Aufenthalt in mehreren afrikanischen Staaten (Ägypten, Sudan, Nigeria, Liberia, ab 1960 Ghana)
> 16. April 1959: Giselher Wirsing, Chefredakteur von "Christ und Welt", veröffentlicht einen Artikel über einen "zweiten Albert Schweitzer" in Afrika; Artikel führt zur Enttarnung von Schumann, der unter seinem richtigen Namen in Afrika lebte
> seit 1965 leben die Ehefrau und drei erwachsene Kinder Schumanns in der Bundesrepublik
> 16. November 1966 Auslieferung Schumanns in die Bundesrepublik
> 1969 Beginn eines Prozesses gegen Schumann in Frankfurt a. M.
> September 1970 Einleitung eines Verfahrens gegen Horst Schumann; April 1971 Einstellung des Verfahrens wegen Verhandlungsunfähigkeit (wegen "zu hohen Blutdrucks"); Entlassung aus dem Gefängnis am 29.07.72
> Tod am 5. Mai 1983 in Frankfurt am Main

Im Zeit-Artikel heißt es zu Schumanns "Tätigkeit" in Auschwitz:
"Schumann begann seine Experimente im berüchtigten Block 10 mit jungen, arbeitsfähigen Juden. Seine weiblichen Versuchspersonen waren griechische Mädchen; sie waren 14 bis 18 Jahre alt. Unter dem Röntgenapparat erlitten viele von ihnen so schwere Verbrennungen, daß sie bald darauf starben. Jene, die überlebten, wurden einen Monat später „zur Kontrolle“ operiert – bis zu zehn Mädchen in einer Stunde. Die Instrumente waren unsteril. Schumann rühmte sich damals, eine solche Operation dauere nur acht Minuten. Es waren, wie sich später Häftlingsärzte erinnerten, die grausamsten Operationen, die sie in Auschwitz erlebt hätten. Die meisten Mädchen starben unter entsetzlichen Schmerzen."

In der Anklageschrift von 1966 hieß es, Schumann sei dringend verdächtig, in Grafeneck (Württemberg) und Sonnenstein (Sachsen) „heimtückisch und mit Überlegung mindestens 30 000 Menschen“, im Konzentrationslager Auschwitz „mindestens zwanzig bis dreißig Häftlinge bei Experimenten grausam“ getötet zu haben.

Quellen
- Wikipedia-Artikel zur H. Schumann
- Wikipedia-Artikel "Tötungsanstalt Pirna-Sonnenschein"
- Biografische Angaben
- Orte der Erinnerung (zu Sonnenstein in Pirna und Horst Schumann)
- Gedenkstätte Grafeneck
- Wikipedia-Artikel Personal im KZ Auschwitz
- Zeit-Artikel "Mörder im weißen Kittel" vom 1.4.1961 (Autor D. Strothmann) und vom 19.8.1966 "KZ-Arzt vor Ghanas Richtern - Das Auslieferungsverfahren gegen Dr. Schumann"
- Spiegel-Artikel v. 21.9.70 "Unbekannter Mann" und "Ausgemustert" v. 11.12.72
- Hilsenrath: "Der Nazi und der Frisör" und der Fall Horst Schumann (früherer Artikel auf der IGS-Website)

* s. gesonderten Artikel zu Werner Kirchert
Hinweis von Herrn Michaelis: Schumann war in Halle Stellvertreter von Walter Schnell, dem Leiter des Stadtgesundheitsamtes und wurde erst am 30.08.1945 aus städtischen Diensten entlassen.

[Bk 13-10-14]

Quelle Yadvashem Photoarchive 

Quelle (spanisch) "Medicina y Holocausto"
Schumann rechts auf dem Foto, das im KZ Auschwitz aufgenommen wurde