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GEDENKVERANSTALTUNG "AUSGESCHLOSSEN"

In der historischen Aula der MLU fand am Mittwoch, dem 27. November 2013, eine Gedenkveranstaltung statt, die den in der NS-Zeit an der Universität ausgeschlossenen jüdischen Wissenschaftlern gewidmet war. Im übervollen Auditorium waren auch Nachfahren einiger ehemaliger jüdischer Universitätsangehörigen anwesend. Beeindruckend im 2 1/2-stündigen Programm besonders das Sprechtheater der Universität, das biografische Skizzen vortrug (darunter auch eine ehemalige IGS-Schülerin).

Aus schulhistorischer Sicht war von Interesse, ob es Verbindungen zu Abiturienten des Stadtgymnasiums gibt. Es fiel der Name "Rudolf Bernstein", der ein Bruder von Felix Bernstein sein könnte. Am Tage der Veranstaltung wurden auch die Ergebnisse historischer Forschungen zu den redigierten ehemaligen jüdischen Universitätsangehören in Buchform vorgestellt. Von Interesse wird in dieser Publikation der Artikel von Prof. Herget zu Rudolf Bernstein sein, der möglicherweise Rückschlüsse auf die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Bernsteins zulässt bzw. Quellenangaben zu Dokumenten im Universitätsarchiv macht.

Weitere Links:
- Professorenverzeichnis der MLU

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Ausgeschlossen auch Rudolf Bernstein ...

Ergänzung vom 18.12.13: Die oben geäußerte Vermutung, dass der im Buch "Ausgeschlossen" aufgeführte Rudolf Bernstein ein jüngerer Bruder von Felix Bernstein ist hat sich nach Durchsicht des Buches bestätigt. Der Autor des Artikels, Wolfram Herget, schreibt zu Rudolf Bernstein:
- geb. am 3.1.1880 in Halle, gest. am 13.3.1971 in Kilchberg bei Zürich
- Vater ist der Physiologe und Professor an der Halleschen Universität, Julius Bernstein (1839 - 1917)
- nach der Schulzeit (wo in Halle?) Studium in Braunschweig
- 1906/07 Ableistung des Militärdienstes als Einjährig-Freiwilliger (wichtig: wahrscheinlich war er ebenfalls am Stadtgymnasium, wie zuvor sein Bruder Felix; er hat wohl kein Abitur dort gemacht und ist deshalb nicht in den Riehmschen Abiturientenverzeichnissen aufgeführt sondern machte als Abschluss das Einjährig-Freiwilligen-Examen --> damit ist auch Rudolf Bernstein ein Schüler unseres Hauses gewesen!!!)
- einjährige Werkstatttätigkeit in den Eisenbahnwerkstätten Halle
- Dissertation am Physikalischen Institut der Universität Halle-Wittenberg
- ab 1909 Assistent am Landwirtschaftlichen Institut der Universität
- 1911 Habilitation auf technischem Gebiet
- Teilnahme an Entwicklungsarbeiten an einem Motorpflug
- Extraordinarius für Landmaschinenbau (Befreiung vom Militärdienst im I. WK)
- ab dem Sommersemester 1933 keine Lehrveranstaltungen mehr an der Uni und Aufgabe der Arbeitsräume im Landwirtschaftlichen Institut
- mit Schreiben vom 14.9.1933 auf Grund des § 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Lehrbefugnis entzogen (Grund: Rudolf Bernstein entstammte der jüdischen Familie von Julius Bernstein)
- Emigration 1939 nach Baden in der Schweiz; lebte ab 1969 in Zürich
- starb 1971 in Kilchberg bei Zürich

Quelle: "Ausgeschlossen", Friedemann Stengel (Hg.), Universitätsverlag Halle-Wittenberg 2013, S. 21 - 27 (kann in der Theologie ausgeliehen werden)

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Ergänzung: auf den Seiten 157 - 160 des Buches "Ausgeschlossen" ist der von Alfred Hauptmann ausgefüllte vollständige "Fragebogen zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933" abgedruckt. Im Fragebogen findet man zum Auskunft Gebenden die Frage "Konfession (auch frühere Konfession)". Dieselbe Frage war bezogen auf die Eltern sowie die Großeltern väterlicherseits und mütterlicherseits auszufüllen. Im Punkt 4 heißt es: "Haben Sie im Weltkrieg an der Front für das Deutsche Reich oder für seine Verbündeten gekämpft? oder sind Sie Sohn (Tochter) oder Vater eines im Weltkrieg Gefallenen?" Im Punkt 5 heißt es: "Welchen politischen Parteien haben Sie bisher angehört?  Von wann bis wann? Waren Sie Mitglied des Reichsbundes Schwarz, Rot, Gold, des republikanischen Richter- oder Beamtenbundes oder der Liga für Menschenrechte und falls ja, von wann bis wann?".

[Bk 03-12-13]

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Ergänzung vom 25.12.2013: ein weiterer Abiturient des Stadtgymnaisums ist durch de Informationen des Buches "Ausgeschlossen" gefunden - Georg Jacoby.

Im Lebenslauf, der am 1.2.1947 von ihm geschrieben wurde, heißt es: "Ich bin am 22. Juli 1899 in Halle als Sohn des Fabrikbesitzers Heinrich J a c o b y  und seiner Ehefrau Flora Jacoby geboren. Das hiesige Stadtgymnasium verließ ich 1917 mit dem Abiturium." (Quelle: Abdruck im Buch "Ausgeschlossen", S. 209)

Georg Jacoby wurde am 22.7.1899 in Halle geboren und starb am 19.8.1978 in Achern/Schwarzwald. Er wird im Buch "Ausgeschlossen" als Dermatologe bezeichnet. Im Riehmschen Adressverzeichnis wird der Abiturient mit der Nr. 1183 von Ostern 1917, Georg Jacoby, als Kaufmann bezeichnet. Seine Wohnung wird mit der Forsterstr. 3 angegeben (als "Medizinerviertel" bezeichnet). Von 1933 bis 1936 arbeitete Jacoby als Assistenzarzt in der Universitäts-Hautklinik. Es folgte die Entlassung aus "rassenpolitischen Gründen". Georg Jacoby war Häftling sowohl in Theresienstadt als auch in Sachsenhausen. Er war verheiratet und hatte drei Kinder. Im Juni 1945 kehrte er an die hallische Hautklinik zurück und wurde kommissarischer und später Direktor der Klinik. In einem Schreiben vom Januar 1947 wird "Prof. Jacoby ... als einer der aktivsten antifaschistischen Professoren" bezeichnet. Schwierigkeiten verschiedenster Art (z. B. beim Kampf gegen die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten in der Provinz Sachsen-Anhalt) führten zu seinem Rücktrittsgesuch. Er führte die Klinik bis 1949 weiter. Nach dem einige Ärzte aus seiner Klinik aus politischen Gründen verhaftet wurden floh er 1949 mit der Familie aus der DDR und ging nach New York. Dort arbeitete er als Arzt. Nach der Pensionierung kam er nach Europa zurück und ging nach Lugano bzw. Frankfurt a.M.

Quelle: "Ausgeschlossen", Universitätsverlag 2013, Autorin Sibylle Gerstengarbe, S. 204 - 211, Fotokopie des Lebenslaufes aus dem Buch S. 209

[Bk 25-12-13]