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VOM "KLEINEN FRIEDEN IM GROSSEN KRIEG" (CHRISTMAS TRUCE)

oder: wenn "die da oben" einen Krieg wollen, aber "die da unten" ihn einfach  nicht führen, dann findet er auch nicht statt!

Die Geschichte eines Fußballdenkmals in Flandern in Belgien soll hier erzählt werden, obwohl sie konkret mit unserer Schulgeschichte nichts zu tun hat, aber beweist, was Schule in Auseinandersetzung mit konkreten Ereignissen erreichen kann.

Historischer Background: "Der Weihnachtsfrieden (englisch Christmas Truce, „Weihnachtswaffenstillstand“ bzw. „Weihnachtswaffenruhe“) war eine von der Befehlsebene nicht autorisierte Waffenruhe während des Ersten Weltkrieges am 24. Dezember 1914 und an den folgenden Tagen. Sie fand an einigen Abschnitten der Westfront statt, wo es vor allem zwischen Deutschen und Briten in Flandern zu spontanen Verbrüderungen kam. Auch an Teilen der Ostfront gab es zu diesem Zeitraum keine Schusswechsel. Der Weihnachtsfrieden des Jahres 1914 bezeichnet heute vor allem die Ereignisse an der Front zwischen Mesen und Nieuwkapelle, an der sich Deutsche und Briten kriegerisch gegenüberstanden." (aus Wikipedia "Weihnachtsfrieden (Erster Weltkrieg)", 6. Sept. 2014)


An dieser Stelle befand sich 1914 die Front und
fand nachweislich eine "kurze Verbrüderung" statt
--> 85 Jahre später, 1999, wurde das Holzkreuz aufgestellt; da es im Netz mehrere Darstellungen des Holzkreuzes mit Fußbällen gibt ist anzunehmen, dass auch hier ein Fußballspiel stattgefunden hat*
Quelle (vergrößern)

Heutige Situation: Im Dörfchen Mesen bei Ypern (flämisch "Iper") befindet sich die Jugendbegegnungstätte "Peace Village" mit einem Sportplatz und einem ungewöhnlichen Denkmal. Auf dem Denkmal findet man einen Fußball dargestellt und den deutschen Text "Stille Nacht, heilige Nacht". Dieses Denkmal wurde im Juni 2014 fertiggestellt und soll am 6. Dezember (100 Jahre nach dem "Weihnachtsfrieden") offiziell eingeweiht werden. Das Denkmal entworfen und die Aufstellung koordiniert wurde es im Rahmen eines Projekts zwischen einer 9. Klasse des Theordorianums (Gymnasium) in Paderborn und der Partnerschule Mildenhall bei Cambridge in England. Denkmäler zum Thema "Weihnachtsfrieden (engl. Christmas Truce)" gibt es an der damaligen Frontlinie mehrere. Aber eines, das von Schülern entworfen wurde, wohl nicht. Im Januar 2013 startete das Schulprojekt, im Dezember 2013 trafen sich die beteiligten Schüler beider Schulen im "Peace Village" in Mesen. Eine Steinmetzwerkstatt in Cambridge fertigte das Denkmal an, das im Juni 2014 aufgestellt wurde (s. hier). Die hier veröffentlichten Fotos vom Denkmal stammen vom August 2014, als drei Lehrer der IGS auf einer Weiterbildungsfahrt im "Peace Village" übernachteten.

Der Text auf dem Denkmal zur Enstehungsgeschichte -  sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache - lautet:
"Dieses Denkmal ist entstanden aus der Freundschaft zwischen den Schülern des Mildenhall College Academy, Suffolk, England und den Schülern des Gymnasiums Theodorianum Paderborn, Deutschland. Die Geschichte des Weihnachtsfriedens inmitten der Tragödie des Ersten Weltkrieges hat sie so bewegt, dass sie diesen Moment des Friedens im Krieg ihre Bewunderung in diesem Denkmal ausdrücken."

Da kann man beiden Schulen zu diesem gelungenen Projekt nur gratulieren und hoffen, dass viele deutsche Schulklassen das Denkmal vor Ort sehen. 


Poppy = rote Mohnblume - in Belgien Sinnbild
für die Toten des "Großen Krieges". 

Zu den Fotos:
1 + 10 Gesamtansicht des Denkmals vor der Jugendbegegnungsstätte
2 - 6 Details des Denkmals
7 - Sportplatz neben dem Jugendhostel mit drei abgeknickten Kreuzen
8 - 9 Fenstergestaltung der Begegnungsstätte (historische Fotos, die die kurze Verbrüderung zum Ausdruck bringen: erstes Foto vom ersten Weihnachtsfeiertag 1914, zweites Foto: ein kanadischer und ein deutscher Soldat in Passchendeale 1917)

Bemerkung: ob es zu Weihnachten 1914 wirklich Fußballspiele im heutigen Sinne im Niemandsland zwischen den Frontlinien gegeben hat ist umstritten, sicher ist, dass in einigen Tagebüchern von Kriegsteilnehmern darüber berichtet wird (z. B. bei Leutnant Kurt Zehmann aus dem 134. sächsischen Infanterieregiment, ein englisch und französisch sprechender Lehrer am Gymnasium in Plauen, der zum genannten Zeitpung 24 Jahre alt war).

Die jüdischen Abiturienten des Stadtgymnasiums Julis Katz (*7.4.1890 in Halle, Abitur 1908, +30.8.1915 in einem Lazarett in Frankreich) und Willi Schlesinger (*23.1.1890 in Halle, Abitur 1908, +16.11.1917 im Fort Brimont bei Reims) waren Kriegsfreiwillige. Im Gedenkbuch des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten werden sie aufgeführt. Im Riehmschen Adressverzeichnis der Abiturienten des Stadtgymnasiums wird Katz als Aibturient Nr. 859 (später Referendar) und Schlesinger als Abgänger Nr. 864b (scheinbar nur mit dem Einjährigenexamnen; später Kaufmann) aufgeführt.
Leider erbrachte die Fahrt nach Flandern keine neuen Kenntnisse bezüglich dieser beiden Biografien.

Quellenangaben:
Wikipediaartikel zum "Weihnachtsfrieden/Christmas Truce"
Projektseiten des Theodorianums in Paderborn (s. a. hier)
Projektseite der Mildenhall College Academy
Fraternising in No Man's Land (en)
Demystifying the Christmas Truce (nl-en) 
- The power of peace in the time of war (en)
- Taschenbuch "Der kleine Frieden im Großen Krieg" von Michael Jürgs, Goldmann Verlag München 2005 (ist im historischen Schularchiv vorhanden)

- Film in deutsch-französischer Koproduktion "Merry Christmas" (2005)

Die DVD ist im historischen Schularchiv vorhanden.
- "War against war" von Ernst Friedrich (en - Originalvorwort und Aufruf sowie Bildunterschriften auch in deutsch), Erstpublikation 1. Mai 1924, Faksimile von 2014 = historisch erstes deutsches Antikriegsbuch nach dem I. Weltkrieg mit Informationen zu dem von Friedrich gegründeten Anti-Kriegsmuseum in Berlin - das Buch wurde von den Nazis verboten
(Das Buch ist im historischen Schularchiv vorhanden)

Peace Village Messines Ypres (Kontaktdaten und Lage über Googlemaps)
Peace Village Messines
Nieuwkerkestraat 9a
B-8957 Mesen
T. +32-57-226-040
fax +32-57-226-045
info@peacevillage.be

Frau Kotulla, Frau Becher und Herr Budnik waren im Rahmen der Fahrt "Flandern Fields" des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge e.V. im Sommer 2014 im Peace Village in Flandern/Belgien. Eine Fahrt mit Schülern dorthin ist sehr zu empfehlen!

[Bk 06-09-14; Fotos B. Budnik]