Logo IGS

IST KURT BAUCHWITZ GLEICH KURT BAUCHWITZ?

oder: Die Lebensgeschichte des Abiturienten Nr. 852 des Stadtgymnasiums von Ostern 1908, Kurt Bauchwitz. 


Eine Anfrage von Frau Ingeborg von Lips (recherchierte zu Curt Goetz und Wilhelm Rocco) an die AG Spurensuche der Schule führte uns auf die Spur des ehemaligen Abiturienten Kurt Bauchwitz. Das Adressverzeichnis von 1937 (s. Foto 1) gibt an, dass Bauchwitz Ostern 1908 das Abitur machte und damit wahrscheinlich im gleichen Jahrgang lernte wie Curt Goetz. Möglicherweise waren beide in der gleichen Klasse. Gottfried Riehm wäre dann beider Klassenlehrer gewesen. Im Adressverzeichnis von 1937 wird der Beruf Rechtsanwalt angegeben und die Berliner Adresse Bleibtreustr. 33. Das Adressverzeichnis von 1931 gibt als Berliner Adresse des Rechtsanwalts den Kurfürstendamm 47 an.Die Anfrage von Frau v. Lips erwähnt einen (weiteren?) Kurt Bauchwitz, ebenfalls Rechtsanwalt, dem in der Gr. Ulrichstr. 2 ein Stolperstein gewidmet ist (Foto 2 bis 4). Beide (?) stammen aus jüdischen Familien. Recherchen im Internet lassen einige Lebensdaten des Kurt Bauchwitz I (Stolperstein; Foto 5) lebendig werden.


Lebensdaten von Kurt Bauchwitz I  (Synagoge Eisleben)
Gedenkbuch der Toten des Holocausts in Halle (Südstadtgymnasium: ehemaliges Schülerprojekt "Juden in Halle")
Zu den im Mai 2004 verlegten Stolpersteinen in Halle (Verein Zeitgeschichte)
Informationen zum Bruder Paul Bauchwitz siehe hier.

Also: Der Kurt Bauchwitz, dem der Stolperstein gewidmet wurde, wurde 1881 in Sangerhausen geboren, stammte aus einer jüdischen Familie, war Rechtsanwalt, wohnte in Halle in der Gr. Ulrichstr. 2 und wurde später von den Nazis gezwungen, in die Magdeburger Str. umzuziehen (damals Hindenburgstr. 63). Von dort aus wurde er am 3. Juni 1942 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.
Zum Abiturienten des Stadtgymnasiums Kurt Bauchwitz II (Foto 6) ließen sich folgende Daten recherchieren:
Lebensdaten aus einem Exilarchiv
Kurzer Wikipedia-Artikel zu K.Bauchwitz II
ROY C. BATES (KURT BAUCHWITZ) PAPERS, 1890-2006 (Bauchwitz nahm nach seiner Emigration in die USA den Namen Roy C. Bates an)
Der ehemalige Schüler des Stadtgymnasiums war also als Anwalt in Berlin tätig (er war unter anderem Rechtsvertreter der Familie Thomas Manns als es um die Rückgabe des Mannschen Besitzes in Deutschland ging und vertrat Erika Mann im Scheidungsprozess von Gustaf Gründgens). Es heißt, dass auch Albert Einstein bei ihm in Berlin zu Gast war und man gemeinsam musizierte. 1929 besucht K. Bauchwitz als Tourist Sowjetrussland.
1931 stirbt Bauchwitz' erste Frau Else Schwabach. Später wird er sich katholisch taufen lassen und Hilde Michaelis heiraten. Mir ihr und den beiden Söhnen (Helmut *1919, Tyll *1922) emigriert die Familie 1939 über Japan in die USA. Vor seiner Abreise wird sein Konto in Deutschland gesperrt, bei der Ausreise das Gepäck (u. a. mit dem Briefwechsel mit Albert Einstein) beschlagnahmt. Eineinhalb Jahre braucht es, bis die Familie die amerikanischen Einreisevisa erhält. Selbst in der Zeit des japanischen Exils ist Kurt Bauchwitz literarisch tätig. Er gibt eine Lyrikband Tokio Gedichte heraus. In den USA ändert er seinen Namen 1946 in Roy C. Bates. Gleichzeitig erhält er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Bauchwitz spezialisiert sich auf internationales Recht und ist nebenbei literarisch tätig. 1948 heiratet er die Amerikanerin Barbara Bent. Übrigens - so heißt es in den Biografien - soll er schon als 16-jähriger Schüler seine literarische Begabung durch Schreiben von Aphorismen zum Ausdruck gebracht haben (mit 14 soll er zum ersten Mal etwas publiziert haben und mit 16 sein erstes öffentliches Klavierkonzert gegeben haben). Kurt Bauchwitz, der deutsche und amerikanische Rechtsanwalt, der deutsche und amerikanische Literat, stirbt als Roy C. Bates am 18 . Juli 1974 in Milton, Massachusetts, USA. 


Literarische Werke von Kurt Bauchwitz:
- Veröffentlichungen in "Der Jugend" sowie in "Nord und Süd" (1912)
- "Der Lebendige" (1920)
- "Tokio Gedichte" (1941)- Abziehbilderbuch- "Pebbles" (50er Jahre)
- "Quotation Marks"


Foto 7: Buch "Heim-Findungen. Lesebuch eines Emigranten"
von Kurt Bauchwitz und Johannes Evelein
"Über den AutorKurt Bauchwitz war ein ungemein vielseitiger Autor: Er glänzte als Essayist, als Lyriker, als Satiriker und als Aphoristiker. 1939 aus Hitler-Deutschland emigriert, führte ihn sein Weg zunächst nach Japan und dann in die USA. Bereits auf der Reise nach Japan entschied er sich für eine Namensänderung und nannte sich von nun an Roy C. Bates. Nach Deutschland kehrte er nicht zurück. Die Erfahrungen aus dem Exil schlugen sich in den schriftstellerischen Arbeiten Bauchwitz’ nieder, er verwob z.B. Elemente der japanischen Kultur mit Eigenarten der amerikanischen Sprache und Lebensart: »Die Erwartung eines kräftigen / Monsuns / Wurde enttäuscht. / Es gab nur einen / kleinen rainfall.« Trotz schwieriger Lebensumstände verlor Bauchwitz nie seinen originellen Wortwitz. Wortspiele und Sprachexperimente begegnen uns auch in seinen Aphorismen. Als großer Bewunderer Georg Christoph Lichtenbergs formulierte er mit Charme und Scharfsinn, etwa: »Jedermann ist hohl genug, um in sich selbst ein Echo zu finden.« Kurt Bauchwitz wurde 1890 in Halle (Saale) als Sohn jüdischer Eltern geboren. Er studierte Jura in Halle, München, Grenoble und Berlin und arbeitete als Anwalt in Berlin, bevor er Deutschland verließ. In Amerika setzte er sich unter anderem dafür ein, Entschädigungen für während der Nazizeit beschlagnahmte Besitztümer zu erwirken, und war außerdem Vertreter der Erbengemeinschaft der Familie Mann. Bauchwitz starb 1974 in Milton, Massachusetts. In Deutschland erschien 1920 der Gedichtband »Der Lebendige«, seine einzige Publikation zu Lebzeiten."Wo stammt der Name "Bauchwitz" her? Kurt Bauchwitz zu einem Klienten: "Bauch wie der, den jeder hat, und Witz, den nicht alle haben" (zitiert nach "Heim-Findungen", S. 6)

Notwendige Ergänzung vom Mai 2011: Inzwischen ist das von der Herausgeberin Frau Ingeborg v. Lips erschienende Büchlein "Kein falsches Bild" in Halle erschienen (im Buchhandel erhältlich; s. Foto 8 rechts), das über Biografie und Werk von Kurt Bauchwitz Auskunft gibt und die Hochachtung der Herausgeberin dem Dichter gegenüber verdeutlicht. Eine empfehlenswerte Lektüre.

(s. a. Artikel  "Festliche Eröffnung von 'Halle liest'")
(s.a "Kurt Bauchwitz - die Zweite")

Zu den Fotos:
1 - Aus dem Riehmschen Adressverzeichnis der Abiturienten des Stadtgymnasiums
(Hinweis: auf dem Ausschnitt ist auch der Name Julius Katz zu lesen --> s. dazu die Seite "Briefe und Berichte jüdischer Frontsoldaten ...")
2+3+4 - Vor dem Kaufhaus Müller befindet sich der Stolperstein für Kurt Bauchwitz I 
5 - Kurt Bauchwitz I (war nicht Schüler des Stadtgymnasiums; Quelle: Synagoge Eisleben)
6 - Kurt Bauchwitz II (Abiturient des Stadtgymnasiusm; Quelle: "Heim-Findungen"; biograf. Informationen über Synagoge Eisleben)
7 - Buchcover "Heim-Findungen" (im Besitz des histor. Schularchivs)
8 - Buchcover "Kein falsches Bild" v. I.v.Lips (im Besitz des histor. Schularchivs)


[Bk 22-11-10; Erg. 15-05-11/15-10-11]