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DIE LEBENS- UND LEIDENSGESCHICHTE DES DR. MED. WILLY FACKENHEIM*

Bei den Recherchen zum ehemaligen Absolventen des Stadtgymnasiums Emil Fackenheim stießen wir auf ein weiteres Familienmitglied(?) der Fackenheims, dessen Lebensspuren im Stadtgymnasium begangen: Willy Fackenheim. Im Riehmschen Adressverzeichnis der Abiturienten als Nr. 636 aufgeführt (Abitur zu Michaelis 1900) hat er damit als erster der vier Fackenheim-Jungs, die nachweislich Abitur in unserem Schulhause gemacht hatten, dasselbige bestanden. Das Abiturientenadressverzeichnis von 1937 sagt über ihn aus: Dr. med. und prakt. Arzt, Wiesbaden, Bismarckplatz 5.

Suchen wir die Spuren von Willy Fackenheim.
Wir müssen nicht lange im Internet suchen und finden viele Spuren im "Projekt Dr. med. Willy Fackenheim" auf den Seiten "Hassia Judaica - Jüdisches Kleinstadt- und Landleben in Hessen".
Nach erfolgreichem Abitur wurde ein Medizinstudium in Halle, Berlin und Würzburg aufgenommen. 1905 - Dissertation ("Neue Versuche über die Wirkung von Anilin-Dämpfen auf Tiere und Menschen ..."). Später wurde in Wiesbaden eine Praxis eröffnet. Willy Fackenheim war als praktischer Arzt und Kurarzt tätig. Während des I. Weltkrieges Lazarettarzt. Er verässt die Armee als Hauptmann und wurde mit dem EK II ausgezeichnet. 1919 Heirat mit Else Altschul**, 1920 Geburt des Sohnes Walter und 1922 von Erich. 1938 Entziehung der Approbation durch die Reichsärztekammer. Nach der Kristallnacht 1938 werden Willy und Walter Fackenheim verhaftet. Sie kommen in das KZ Buchenwald. Nach zwei Wochen kommt Willy Fackenheim wieder frei, im April 1939 sein Sohn Walter. Die Familie flieht aus Deutschland nach Shanghai (Shanghai konnte 1938/39 ohne Visum und weitere Papiere erreicht werden; s. a. den Fluchtweg von Kurt Bauchwitz über Japan in die USA). Am 13. März 1943 stirbt dort Willy Fackenheim. Im gleichen Jahr muss die Familie in ein Ghetto ziehen, das erst im September 1945 aufgelöst wurde. Im Juli 1945 stirbt auch Ehefrau Else in Shanghai. Die Gräber sind nicht mehr erhalten.  Sohn Walter geht später (ab 1947) unter dem Namen Walter C. Frank in die USA (San Franzisco) und veröffentlich dort seine Lebenserinnerungen.  
Für Else und Willy Fackenheim wurden im Jahre 2007 in Wiesbaden Stolpersteine gesetzt.

Damit ist auch diese Biografie ein Beispiel für jüdische Lebensgeschichten, die mit erfolgreich bestandenem Abitur in unserem Hause begangen, einen erfolgreichen beruflichen Lebenweg erwarten ließen und doch in Ausgrenzung, Berufsverbot und Deportation zur Nazizeit endeten. Diejenigen, denen nicht bis 1941 die Emigration glückte, drohte im eigenen Vaterland der Tod. Und derjenige, der die "Logistik" dazu lieferte, wuchs nur zwei Straßen entfernt von dem Schulhaus auf, indem nicht wenige jüdische Schüler am humanistischen Gymnasium das Abitur erfolgreich bestanden hatten. 

Quellen:
- Erinnerungsblatt über W. Fackenheim (mit Kopie der Approbationsurkunde von 1905 sowie der Mitteilung über den Entzug durch die Reichsärztekammer von 1938)
- Pressemitteilung
- "Hassia Judaica" - Lebenswege - Willy Fackenheim (Projektseite - sehr ausführlich Darstellung des Lebens W. Fackenheims mit vielen Abbildungen)
- Stolpersteine für Willy und Elsa Fackenheim in Wiesbaden verlegt
- Sohn Walter (nicht unter dem Namen Fackenheim sondern als Walter C. Frank) veröffentlichte 1995 das Buch "People, Events, Stories: A Personal History (1920 - 1947)" und schildert dort die Verhaftung des Vaters am 10. Nov. 1938 (Zitat aus dem Buch s. hier)

*Willy Fackenheim darf nicht mit Willi Fackenheim verwechselt werden
** Elsa Fackenheim ist die 1885 geborene Schwester Willy Fackenheims, Else seine Ehefrau

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Die Recherchen zum weiteren Leben von Willy Fackenheim führten uns im Internet zu dem bemerkenswerten Projekt "Hassia Judaica - Jüdisches Kleinstadt- und Landleben in Hessen", das wohl vor allem von dem Lehrer der Jakob-Grimm-Schule (Rotenburg an der Fulda) Dr. Heinrich Nuhn initiiert und realisiert wurde (schöne Beschreibung eines leidenschaftlichen Lehrers --> s. hier). Er stützte sich dabei auf die "AG-Spurensuche" seiner Schule. LERNEN AUS DER GESCHICHTE ist wohl die entscheidende Maxime, die Schüler und Lehrer mit Ernst und Gewissenhaftigkeit nachvollziehen sollten, um solche wertvollen Projekte realisieren zu können. Ein Dank an Heinrich Nuhn aus Rotenburg a. d. Fulda für sein beispielgebendes Engagement!

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[Bk 15-07-11]
schulgeschichte@igs-halle.de

Willy Fackenheim (Quelle)

Stolpersteine für Willy und Else Altschul-Fackenheim in Wiesbaden (Quelle)